Das Besondere einer Mutter-Sohn-Beziehung

Die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind ist immer etwas ganz Besonderes. Egal, ob Sohn oder Tochter: Die Mutter bleibt für ihren Nachwuchs die erste und wichtigste Bezugsperson. Jede Mutter-Kind-Beziehung ist einzigartig. Das Band, was eine Mutter und ihren Sohn verbindet, ist jedoch ein ganz Besonderes. Warum das so ist und welche Verhaltensweisen diese Bindung gefährden können, erfährst du in diesem Artikel.

Was macht eine Mutter-Sohn-Beziehung so besonders?

Die innige Verbindung zwischen einer Mutter und ihren Sohn ist etwas ganz Besonderes und unterscheidet sich von der Mutter-Tochter-Beziehung in einigen wesentlichen Merkmalen. Als Mutter eines Jungen hat man nämlich maßgeblich Einfluss darauf, welches Frauenbild der Sohn vorgelebt bekommt. Dies wiederum wird sich später unweigerlich und unbewusst auch auf seine Partnerwahl auswirken. Darüber hinaus liegt es auch an der Mutter, welches Männerbild der Sohn vorgelebt bekommt. Welche Meinung hat die eigene Mutter über Männer? Steht sie ihnen neutral, wohlwollend oder ablehnend gegenüber? Dieses Verhalten prägt das Selbstbild des Sohnes auf ganz entscheidende Weise.  

Woran erkennt man eine gute Mutter-Sohn-Beziehung?

Unabhängig, ob es sich um Sohn oder Tochter handelt, bildet das Urvertrauen die Basis für eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung. Dieses wird bereits in den ersten Lebensjahren gebildet und ist extrem wichtig für eine gesunde, emotional stabile Entwicklung des Kindes.

Erfährt der Sohn die bedingungslose Liebe, Fürsorge, Nähe und Geborgenheit der Mutter, ist dies schon einer der wichtigsten Faktoren, die zu einer guten Mutter-Sohn-Bindung beitragen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Sohn während des Heranwachsens autonomer wird und eigene Entscheidungen treffen möchte. Nur so kann er wertvolle Erfahrungen fürs Leben sammeln. Als Mutter ist man hier gut beraten, ihm den nötigen Freiraum in einem altersgerechten Umfang zu gewähren.

Zugegeben, dieser Balance-Akt zwischen Autonomie und Bindung ist nicht leicht. Ist es einem als Mutter aber gelungen, in der Kindheit und Teenagerzeit ein gutes Fundament zu legen und eine gesunde Bindung zum Sohn aufzubauen, wird ihn das für sein weiteres Leben positiv prägen. Ein solides Selbstbewusstsein, emotionale Stabilität und Empathie im Umgang mit anderen Menschen können das Ergebnis sein. 

Wie gelingt eine gute Mutter-Sohn-Beziehung?

Wenn eine Mutter ihrem Sohn etwas Gutes tun will, dann übt sie sich schon früh darin, ihn ab einem gewissen Alter loszulassen. So paradox das auch klingt, aber das Loslassen beginnt bereits in einem Alter, in dem der Nachwuchs noch komplett von den Eltern abhängig ist. Ab ca. 2 Jahren kommt ein Kind in die sogenannte Autonomiephase. Wie es der Name schon verrät, möchten Kinder in dieser so wichtigen Phase selbstständiger werden, ihre „kleine große Welt“ entdecken und erste eigene Erfahrungen sammeln. Das ist absolut normal und ein altersgerechtes Verhalten. Als Mutter betritt man nun den schmalen Grat zwischen Autonomie und Bindung, der sie für den Rest ihres Lebens begleiten wird. Auf gesunde Art Grenzen setzen, die Bedürfnisse aller im Blick behalten und vor allem die Emotionen ihres Sohnes wahrnehmen, sind hier die wichtigsten Aufgaben einer Mutter. Insbesondere das Wahrnehmen und Ausleben der Gefühle ist ein elementar wichtiger Punkt, der nicht unterschätzt werden darf. 

Kommt der Sohn in die Pubertät, bekommt die Mutter-Sohn-Beziehung nochmal eine neue Dynamik. Spätestens jetzt sollte man sich als Mutter an den Gedanken gewöhnen, dass der Sprössling in nicht allzu ferner Zukunft erwachsen wird und lernen sollte auf eigenen Beinen zu stehen. Sich ganz langsam und auf schonende Weise von der Mutter zu lösen und unabhängiger zu werden rückt bei dem Nachwuchs nun immer mehr in den Vordergrund. 

In Familien, in denen die Balance zwischen Autonomie und Bindung gelingt, bestehen gute Chancen, dass der Sohn in einer gesunden Mutter-Kind-Beziehung aufwächst. Lebt man als Mutter Wertschätzung, Empathie und Offenheit vor, werden klare Grenzen gesetzt und kommuniziert, sind das schon sehr gute Voraussetzungen, dass der Sohn von Beginn an diese so wichtigen sozialen und emotionalen Eigenschaften adaptiert.  

Ist der Kleine dann irgendwann erwachsen, kommt ein neues „Minenfeld“ ins Spiel: die Partnerschaft des Sohnes. Als Mutter tut man nun gut daran, sich in diesen Lebensbereich nicht einzumischen. Auch hier darf und muss der Sprössling eigene Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren. Mischt sich eine Mutter immer wieder ungefragt in die Beziehungen des Sohnes ein, kann das erhebliche negative Auswirkungen auf seine Partnerschaften haben und zudem wie Gift auf die Mutter-Sohn-Beziehung wirken.

Was kann eine Mutter-Sohn-Beziehung gefährden?

Auch wenn wir inzwischen in einer Zeit leben, in der die Gendergleichheit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ist in vielen elterlichen Köpfen (häufig unbewusst) noch das „alte“ Rollenbild von Frauen und Männern, bzw. Mädchen und Jungen verankert.

Eine Tochter hat brav und artig zu sein, angepasst und hübsch. Ein Sohn dagegen soll mutig sein, stark und selbstbewusst. Sowohl die Rolle der Tochter, aber auch die des Sohnes sollen aus Sicht der Eltern die Familie repräsentieren. Die Erwartungen, die hier unweigerlich an die Kinder gestellt werden, sind extrem hoch. Der Erfüllungsgrad der eigenen Wünsche von Sohn und Tochter dagegen sehr niedrig. Ein Dilemma, in das sich die Beteiligten oft hoffnungslos verstricken.

Problematisch wird es, wenn das Seelenheil der Eltern von der Entwicklung der Kinder abhängig ist.

In vielen Familien ist es so, dass Mütter sich besonders aufopferungsvoll um ihre Söhne kümmern. Der Erfolg des Sohnes ist irgendwie auch immer gleichzeitig ihr eigener Erfolg. Etwas, das Mütter als Ergebnis ihrer hingebungsvollen Erziehung werten und entsprechend stolz macht. Die Erfolgserlebnisse des Sohnes heben in diesen Fällen gleichzeitig auch den Selbstwert der Mutter an. Und erhöhen den Druck auf den Sohn enorm! Eine heikle Angelegenheit!

Ebenso, wenn der Sohn dafür herhalten darf, die eigene Leere der Mutter zu füllen. Ihr gibt es ein Gefühl, gebraucht zu werden, einen Sinn zu sehen in ihrem Sein und Tun. Dem Sohn dagegen, raubt es oft die Luft zum Atmen.

Schaut man sich die Mutter-Sohn-Beziehung einmal genauer an, geben zwei wesentliche Merkmale Hinweis darauf, dass eine Störung vorliegt. Zum einen, ist dies der Fall, wenn der Kontakt zwischen Mutter und Sohn zu eng ist. Auf der anderen Seite wird es schädlich, wenn eine zu große Distanz zwischen beiden herrscht.

Leider hält sich in unserer Gesellschaft nach wie vor hartnäckig der Irrglaube, dass Kinder, insbesondere Jungs, „verweichlichen“, wenn man ihnen zu viel Nähe gibt, zu oft kuschelt und sie zu häufig tröstet. Die Angst, mit diesem Verhalten ein „Muttersöhnchen“ heranzuziehen, spukt leider noch immer in vielen elterlichen Köpfen herum.

Ein Kind kann jedoch niemals genug Liebe und Nähe bekommen. Schaut man sich einmal unsere nächsten Verwandten, die Affen an, wird es noch einmal deutlicher: Wohl kaum eine Affenmutter würde ihr Junges weinen lassen und sich von ihm abwenden. Es wird zum Schlafen auch nicht allein auf einem anderen Ast abgelegt. Ganz im Gegenteil: Sie trägt das Kleine fast durchgängig bei sich, denn dort ist es am sichersten. 

Viele Mütter haben Angst, ein „Muttersöhnchen“ großzuziehen, wenn sie mit ihm zu viel kuscheln, ihn trösten und einmal mehr in den Arm nehmen. Körperliche Nähe wird bewusst reduziert.

„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“

„Stell dich nicht so an. Das war doch gar nichts!“

„Das tut doch gar nicht weh.“

Diese oder ähnliche Aussagen können das Selbstbewusstsein des Kleinen empfindlich schaden. Verhält sich die Mutter kühl und reserviert, kann dies ein wesentlicher Grund für eine Störung und Schwächung der Mutter-Sohn-Bindung sein. 

Doch auch das Gegenteil kommt häufig vor. Klammert sich die Mutter an ihren Sohn und will sie ihn einfach nicht loslassen, bleibt ihm kein Raum zum Ausleben der eigenen Bedürfnisse und persönlichen Entwicklung.

Mischt sie sich permanent in sein Leben ein, gibt ungefragt Ratschläge und will sie ihn vor allem und jedem beschützen (Überbehütung), ist im Grund schon vorprogrammiert, dass die Mutter-Sohn-Bindung unweigerlich Schaden nimmt. Auf diese Art kann der Nachwuchs nämlich definitiv keine Selbstständigkeit und kein Selbstbewusstsein entwickeln. Im Gegenteil: Die Mutter hält seinen Entwicklungsprozess auf. Für sie soll er (meist unbewusst) immer ihr „kleiner Junge“ bleiben. 

Genauso schädlich ist es, wenn der Sohn als Partnerersatz herhalten soll. Insbesondere in der Pubertät, wenn der Abnabelungsprozess zu den Eltern langsam Fahrt aufnimmt, möchten Kinder viel Zeit mit Freunden verbringen und erste Erfahrungen „draußen“ sammeln. Eine Mutter, die diesen Entwicklungsschritt unterbindet und vielleicht sogar eifersüchtig reagiert, schadet ihrem Sohn damit auf extreme, nachhaltige Weise. 

Weist eine Mutter-Sohn-Beziehung dysfunktionale Muster auf, hat dies für ihn meistens lebenslange Folgen. Ein schwaches Selbstbewusstsein, mangelndes Urvertrauen und Minderwertigkeitsgefühlekönnen das Ergebnis davon sein. Meistens wird das den Söhnen erst bewusst, wenn sie längst erwachsen sind und in ihrem sozialen Umfeld immer wieder auf die gleichen Konflikte stoßen. Die Beziehung zur Mutter hat somit auch unweigerlich Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere in Bezug auf Partnerschaften. 

Je älter der Sohn wird, desto komplizierter wird es für ihn, aus einer ungesunden Mutter-Sohn-Verbindung auszubrechen. Lernt eine Mutter nicht irgendwann einen angemessenen Abstand zu ihrem Sohn zu halten und ihn sein eigenes Leben führen zu lassen, kann dies sogar dazu führen, dass der Sohn eine Lösung nur noch in einem Kontaktabbruch zur Mutter sieht.

Was kann eine Mutter-Sohn-Beziehung im Erwachsenenalter fördern?

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Ist der Sohn erwachsen, ist Loslassen angesagt – auf beiden Seiten. Er muss nun eigene Entscheidungen treffen können, um so seinen individuellen (Lebens-) Weg zu finden. Darüber hinaus ist natürlich auch weiterhin ein respektvoller, wertschätzender Umgang miteinander wichtig. Auch und insbesondere, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. 

Das Ziel von Mutter und Sohn sollte sein, die Eigenständigkeit und Selbstfürsorge des Sohnes zu fördern. Als Mutter darf man nun einen großen Schritt zur Seite treten, damit der Sprössling seinen eigenen Weg gehen kann – so schwer es ihr auch fällt. Mütter sollen dabei keineswegs aus dem Leben des Sohnes verschwinden. Vielmehr haben sie nun das große Privileg, als seine vertraute Beraterin und Ansprechpartnerin im Hintergrund da zu sein, wenn er den Wunsch hat, sich ihr mitzuteilen oder Rat einzuholen. 

Es kann vorkommen, dass sowohl Mutter als auch Sohn mit der Beziehung zueinander nicht glücklich sind. Vielleicht gibt es ein zu viel oder zu wenig an Nähe, möglicherweise kommt es immer wieder zu Konflikten und der Abnabelungsprozess des Sohnes gelingt nicht. In solchen Fällen kann es helfen, sich als Mutter selbst kritische Fragen zu stellen:

Warum kann ich meinen Sohn nicht loslassen?

Warum möchte ich weiterhin die Kontrolle behalten und Einfluss auf sein Leben nehmen?

Warum ist es mir so wichtig, dass er kein „Weichling“ wird?

Betroffene Mütter, die sich wertfrei diese Fragen stellen und Antworten darauf finden, haben den ersten wichtigen Schritt getan, um aus diesem toxischen Kreislauf auszubrechen. Es kann durchaus hilfreich sein, sich für diesen mitunter sehr kräftezehrenden und emotionalen Entwicklungsprozess professionelle Unterstützung zu suchen. Ein Therapeut oder ein Coach kann hier beratend zur Seite stehen und Betroffene fachkundig und neutral begleiten. Oft erleichtert das den Prozess des Loslassens enorm und kann zu einer Heilung / Förderung der Mutter-Sohn- Beziehung beitragen. So kann der Worst Case – ein möglicher Kontaktabbruch zwischen Mutter und Sohn – oftmals sogar vermieden werden.

Als Mutter wird man immer die erste große Liebe des Sohnes bleiben, egal, wie alt er ist. Es ist eine Bindung fürs Leben, die erst im Prozess des Loslassens ihr volles Potential zeigen kann.