Kontaktabbruch zwischen Eltern und ihrem Kind
Plötzlich ist sie da – die ohrenbetäubende Stille. Kein Lebenszeichen. Kein Wort. Keine Reaktion. Telefonate werden nicht entgegengenommen, Briefe nicht beantwortet, E-Mails ignoriert.
Ein wortloser Abschied. Zurück bleiben Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit – und ein enorm großer Verlust.
Der schmerzhafte Kontaktabbruch zwischen Eltern und erwachsenen Kindern
Kommt es zu einem Kontaktabbruch zwischen Eltern und ihrem Kind, ist dies ein Ereignis, was das gesamte Familiensystem belastet. Dass Eltern den Kontakt abbrechen, kommt dabei eher seltener vor. In den meisten Fällen sind es die erwachsenen Kinder, die sich von ihren Eltern trennen.
Eltern trifft dies dann häufig völlig unvorbereitet. Sie können sich nicht erklären, warum das eigene oft schon erwachsene Kind diese so drastische Entscheidung getroffen hat. Haben sie ihrem Kind nicht alles an Zuwendung, Aufmerksamkeit und Unterstützung auf seinem Weg ins eigene Leben gegeben? Haben sie sich nicht aufopferungsvoll um ihn / sie gekümmert?
Gerade, wenn die Gründe für den Kontaktabbruch nicht offensichtlich sind, empfinden die verlassenen Eltern ihr Kind als undankbar. Zwischen Trauer und Unverständnis mischen sich Wut und Fassungslosigkeit. Auf schmerzhafte Weise müssen die Eltern erfahren, dass auch Schweigen eine Form der Kommunikation ist.
Aus Sicht der Psychologie ist der Kontaktabbruch innerhalb der Familie eine der qualvollsten Trennungen. Eine schmerzhafte Erfahrung auf beiden Seiten. Doch wie kann es überhaupt so weit kommen? Warum verlassen Kinder ihre Eltern? Was kann so schlimm sein, dass freiwillig eine Trennung zu den wichtigsten Bezugspersonen, den Eltern, in Erwägung gezogen wird? Und was passiert nach einem Kontaktabbruch? Gibt es Hoffnung auf eine Versöhnung? Alles Wissenswerte dazu erfährst du in diesem Artikel.
Die Frage nach dem Warum
Gründe, warum ein Kind den Kontakt zu den Eltern abbricht
Die Entscheidung für einen Kontaktabbruch zu den Eltern wird nicht leichtfertig getroffen – im Gegenteil. Meistens geht diesem Schritt ein langer Leidensweg voraus und der Entscheidungsprozess ist entsprechend schmerzhaft. Häufig hat das Kind über einen langen Zeitraum immer wieder Signale an die Eltern gesendet, um auf die Missstände aufmerksam zu machen – leider vergebens. Zweifel, Schmerz, Angst und oft auch ein schlechtes Gewissen türmen sich so mit der Zeit immer weiter auf und sind permanente tägliche Begleiter. Diese negativen Emotionen erzeugen einen erheblichen Leidensdruck. Die Lebensqualität leidet stark unter dieser Situation und den Betroffenen raubt es enorm viel Kraft und Energie. Auf Dauer kann dies zu physischen und psychischen Erkrankungen, wie bspw. Angst- und Panikstörungen, Depression oder Suchterkrankungen führen. Dass dies kein Dauerzustand sein kann und darf, liegt nahe.
Warum der Kontaktabbruch zu den Eltern vielen Kindern so schwer fällt, ist leicht zu erklären. Die Eltern-Kind-Beziehung ist die stärkste emotionale Bindung, die der Mensch eingehen kann. Eine intakte Familie bedeutet Stabilität, Sicherheit, Liebe und Geborgenheit. Aus evolutionsbiologischer Sicht sichert dies für die Dauer der Kindheit unser Überleben.
Wächst das Kind zu einer erwachsenen, eigenständigen Person heran und geht mit der Zeit selbst zwischenmenschliche Beziehungen ein, in denen Liebe, Wärme und ehrliche Zuneigung dominieren, wird oft ein kritischer Blick auf die eigene Herkunftsfamilie geworfen. Dysfunktionale Familienmuster werden häufig erst dann realisiert und neu bewertet. Plötzlich wird einem bewusst, was für Wunden man u. U. aus der eigenen Kindheit davongetragen hat und welche Auswirkungen das Verhalten der Eltern auf das eigene Leben hat. Eine harte, oft bittere Erkenntnis, die die bisherige Eltern-Kind-Beziehung in Frage stellen kann.
Insbesondere der Kontaktabbruch vom Sohn zur Mutter, aber auch von der Tochter zum Vater gestalten sich emotional häufig als sehr intensiv.
Kontaktabbruch als Schutzstrategie
Aus Sicht der Psychologie findet ein Kontaktabbruch zu den Eltern immer zum Selbstschutz statt. Aus Sicht des Kindes scheint die Trennung der einzige Ausweg zu sein, um sich vor dem destruktiven Verhalten der Eltern zu schützen.
7 häufige Gründe für einen Kontaktabbruch mit den Eltern:
- Fehlende Autonomie und Selbstbestimmung
- Physische und / oder psychische Gewalt, Missbrauch
- Emotionale Verkümmerung, Lieblosigkeit
- Autoritäres, übergriffiges Verhalten
- Überbehütung
- Fehlender Halt und Geborgenheit
- Schuldzuweisungen, Demütigungen
Die Ursachen sind sehr vielfältig und an dieser Stelle nicht abschließend.
Letztlich entscheidet das Kind allein, ob und wann es einen Kontaktabbruch zu der toxischen Familie möchte. Auch die Art und Weise, wie eine Trennung vollzogen wird, ist unterschiedlich. Mal wird ein Kontaktabbruch zu den Eltern vorher angekündigt und offen kommuniziert, ein anderes Mal erfolgt die Distanzierung sehr still und für die Eltern völlig unvorbereitet. In dem Fall ist der Schock natürlich umso größer.
Wann Kinder den Kontakt mit ihren Eltern abbrechen sollten
Es gibt Gründe, bei denen sogar Psychologen zu einem Kontaktabbruch zu den Eltern raten. Die Auslöser für die Trennung sind in diesen Fällen einfach zu tiefgreifend, schmerzhaft und traumatisch.
Dazu zählen bspw. Missbrauch auf körperlicher und seelischer Ebene, aber auch die unverrückbare Tatsache, dass sich das Verhalten der Eltern nicht ändern wird und somit eine Besserung der Eltern-Kind-Beziehung nicht erreicht werden kann.
Liegen diese Bedingungen zugrunde, schützt nur ein rigoroser Kontaktabbruch zu den Eltern vor weiteren Verletzungen. Erst dann eröffnet sich dem Kind die Möglichkeit, alte Wunden heilen zu lassen und traumatische Erlebnisse langfristig erfolgreich aufzuarbeiten.
Wie eine Annäherung nach einem Kontaktabbruch gelingen kann
Hat sich ein Kind für einen Kontaktabbruch zu den Eltern entschieden, tun diese gut daran, ihrem Kind erst einmal Zeit und Raum zu geben. Für alle Beteiligten ist es wichtig und beruhigend zu wissen, dass eine Trennung nicht zwangsläufig für immer sein muss. Stimmt das Kind zu gegebener Zeit einer Annäherung zu, sollte diese behutsam und am besten mit Hilfe eines Therapeuten oder eines Coaches erfolgen. Er / Sie wird die Situation wertfrei und neutral betrachten und Hilfestellung bei der Gesprächsführung leisten.
Um eine Versöhnung nach einem Kontaktabbruch zu den Eltern erfolgreich herbeizuführen, braucht es eine gesunde Bindungs- und Konfliktfähigkeit auf beiden Seiten. Schuldzuweisungen und Vorwürfe sind hier vollkommen fehl am Platz. Auf dem Weg zur Einigung werden die Eltern und ihr Kind gemeinsam verschiedene Perspektiven einnehmen, um jeweils die Sichtweise und Beweggründe der anderen Seite zu erkennen und zu verstehen.
Der Prozess der Annäherung ist in den meisten Fällen sehr langwierig und erfordert viel Bereitschaft und Verständnis von allen Beteiligten. Eltern sollten unbedingt die Grenzen ihres Kindes akzeptieren und einhalten. Kinder dagegen sollten bedenken, dass auch Eltern Verletzungen aus ihrer eigenen Vergangenheit mit sich tragen, die Einfluss auf die Gegenwart haben können.
Ziel ist es, dass sowohl die Eltern als auch das Kind eine möglichst ehrliche und authentische Beziehung zueinander aufbauen können und jeder so sein kann, wie er ist. Eine Beziehung auf Augenhöhe, losgelöst von überzogenen Erwartungen, Kränkungen und Enttäuschungen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben.
Wenn es kein Zurück mehr gibt – Dauerhafter Kontaktabbruch zwischen Eltern und Kind
Kontaktabbruch aus Sicht des verlassenden Kindes
Manchmal sitzen die Verletzungen so tief und sind die Demütigungen so stark, dass das Kind einen endgültigen Kontaktabbruch zu den Eltern möchte. Durch die Funkstille verschafft sich das Kind einen geschützten Raum, der es ihm ermöglicht, ein selbstbestimmtes und freies Leben zu führen. Nach der Trennung fühlt das Kind in den meisten Fällen zuerst einmal große Erleichterung.
Der Abnabelungsprozess ist jedoch sehr häufig auch mit Schmerz und Schuldgefühlen verbunden. Hier kann es hilfreich sein, die Erlebnisse aus der Vergangenheit mit therapeutischer Unterstützung aufzuarbeiten. Insbesondere wenn es darum geht, den Kontaktabbruch zur Mutter zu verarbeiten, ist häufig Hilfe von außen erforderlich. Der Mutter bekommt in der Eltern-Kind-Beziehung eine besondere Rolle zu, da mit ihr im Säuglingsalter die Urbeziehung beginnt und erste Bindungserfahrungen bereits in dieser prägenden Lebensphase gesammelt werden.
Im Verlauf des Trennungsprozesses geht es darum, Vergangenes zu akzeptieren, anzunehmen, was war und den Eltern, wenn möglich, zu vergeben. Das bedeutet nicht automatisch, dass das Kind sich mit ihnen versöhnen soll. Vielmehr geht es darum, durch Vergebung und Akzeptanz inneren Frieden zu erlangen, ohne den schweren Ballast aus der Vergangenheit mit sich herumzutragen.
Kontaktabbruch aus Sicht der verlassenen Eltern
Hat sich ein Kind für einen endgültigen Kontaktabbruch zu den Eltern entschieden, bedeutet dies für die Eltern einen enorm großen Verlust, der nur schwer zu verkraften ist. Sie fühlen sich als Opfer, sind hilflos, verzweifelt und ohnmächtig.
So schwierig diese Situation auch ist, so bleibt den Eltern doch nichts anderes übrig, als die Entscheidung des Kindes zu akzeptieren. Die Emotionen, die damit verbunden sind, sind für viele Betroffene nur schwer auszuhalten.
Psychologische Unterstützung kann hier helfen, mit der Zurückweisung, der Schuld und der Scham umzugehen.
Um die Trauer zu verarbeiten, ist es wichtig, dass die Eltern verstehen, warum das Kind den Kontakt abgebrochen hat. Es gilt, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen und sich in die Lage ihres Kindes hineinzuversetzen.
Akzeptanz und Vergebung sind auch bei den Eltern zwei wichtige Methoden, die helfen können, inneren Frieden mit der Situation zu finden und ihr Kind sein Leben selbstbestimmt leben zu lassen.
Ob nun als Kind oder als Elternteil, für beide Seiten gibt es inzwischen Unterstützungsangebote, bei denen Betroffene nach einem Kontaktabbruch zu den Eltern ihre Erfahrungen austauschen können. Zu wissen, man ist mit dem Schicksal nicht allein, kann in der Trennungsphase und auch danach sehr heilsam und tröstlich sein.
Wer bin ich?
Wie ich dir helfen kann
Hat dich dieser Beitrag an der ein oder anderen Stelle an deine eigene Situation erinnert? Ob als verlassenes Elternteil oder als Kind, welches sich bereits von den Eltern getrennt hat, bzw. gerade mit dem Gedanken spielt: Sei gewiss, du bist damit nicht allein!
Häufig quälen sich Betroffene sehr lange allein mit diesem Thema herum, versuchen mit ihren Kränkungen und Verletzungen im Gepäck, Lösungen und Auswege zu finden. Leider ist das Ergebnis allzu oft das gleiche: die Situation ist und bleibt verfahren. Die Lebensfreude sinkt, der Leidensdruck steigt. Ein Ausweg scheint nicht in Sicht.
Wenn auch du mit deiner familiären Situation keinen Frieden finden kannst und dich von negativen Gefühlen wie Ohnmacht, Trauer, Hoffnungslosigkeit und Wut lösen möchtest, lass uns gemeinsam daran arbeiten. Du bist diesem Zustand nicht hilflos ausgeliefert.
Ich biete dir einen geschützten Raum, in dem du deinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen kannst.
Gemeinsam schauen wir uns die individuelle Situation in deiner Familie an, sortieren deine Gedanken und Gefühle und sorgen so wieder für mehr Klarheit in deinem Leben. Behutsam begleite und unterstütze ich dich dabei, aus einer anderen Perspektive auf die Situation zu schauen und Lösungen zu finden. Im besten Fall gelingt so ein Neuanfang, noch bevor es überhaupt erst zu einem Kontaktabbruch kommt.