Vater-Tochter-Konflikt

Papas Liebling – welche Tochter möchte das in ihrer Kindheit nicht gern sein?! Und welcher Vater hört es nicht gern, dass er der gefeierte Superheld seiner kleinen Prinzessin ist?! Zwischen Vätern und ihren Töchtern besteht häufig ein sehr inniges, ganz besonderes Verhältnis.

Wie in so ziemlich allen zwischenmenschlichen Beziehungen, kann sich jedoch auch diese Verbindung in eine Richtung entwickeln, die destruktiv und ungesund wird. Nicht nur für die Tochter, sondern auch für das gesamte Familiensystem.

Was eine gesunde Bindung zwischen Vater und Tochter ausmacht und was zu manifestierten Vater-Tochter-Konflikten führen kann, erfährst du in diesem Artikel.

Was macht eine gute Vater-Tochter-Beziehung aus?

Reicht es als Vater eines Sohnes augenscheinlich aus, ein gutes Vorbild zu sein, so gestaltet sich das Verhältnis zwischen Vater und Tochter doch etwas anders. Er ist ihre „erste große Liebe“ und durch ihn sammelt sie wichtige grundlegende Erfahrungen, was die Liebe zu Männern angeht. Der Grundstein für spätere Beziehungen der Tochter wird vom Vater somit bereits in ihrer Kindheit gelegt. Es ist elementar wichtig, dass er ihre Bedürfnisse wahrnimmt und er ein authentisches Interesse an ihren Sorgen, Problemen und Unsicherheiten hat. Die Tochter muss sich gesehen, geliebt und verstanden fühlen.

Eine gesunde Vater-Tochter-Beziehung stärkt den Selbstwert der Tochter, fördert ihr Selbstbewusstsein und sie bekommt insgesamt einen guten Zugang zu ihrer eigenen Persönlichkeit. Alles Dinge, die erheblichen Einfluss auf ihr späteres Leben haben. Nicht umsonst ist der Vater somit eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben der Tochter.

Papas Sonnenschein sollte sich zu jeder Zeit und bedingungslos auf ihn verlassen können. Auch und insbesondere, wenn seine kleine Prinzessin älter wird, in die Pubertät kommt und ihre eigenen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln möchte. In dieser so wichtigen Phase der Entwicklung treten nicht selten, in der sonst sehr harmonischen Vater-Tochter-Beziehung, Spannungen auf.

Häufige Auslöser eines Vater-Tochter-Konflikts

Nicht immer läuft es zwischen Vätern und ihren Töchtern harmonisch und entspannt ab. Es gibt unterschiedliche Auslöser und Hinweise, die auf einen Vater-Tochter-Konflikt hindeuten können. Diese können die Beziehung zwischen den beiden auf eine harte Probe stellen.

Ein klassischer Auslöser für einen Vater-Tochter-Konflikt ist, dass die Tochter durch und durch verhätschelt wird. Papa liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab, holt ihr die Sterne vom Himmel und verwöhnt sie grenzenlos. Werden hier vom Vater nicht frühzeitig gesunde Grenzen gesetzt, wird es mit zunehmendem Alter der Tochter immer schwieriger, diese zu akzeptieren. Auch kann es vorkommen, dass die Mutter dem Vater gegenüber ausgespielt wird. Eine problematische Entwicklung, die die ganze Familie in Unruhe versetzen kann.

Viele dieser Väter lernen nicht, ihre Tochter irgendwann loszulassen, damit sie ihren eigenen Weg finden und gehen kann. Sie gestehen ihr zu wenig Freiraum ein, was eine persönliche Entwicklung und das Durchsetzen der eigenen Bedürfnisse für die Tochter schwer macht.

Ein weiterer Punkt, der die Vater-Tochter-Beziehung gefährden kann, ist die mangelnde Aufmerksamkeit und Abwesenheit des Vaters. Ist er im Leben der Tochter mehr ab- als anwesend und nimmt er – wenn überhaupt – nur noch sporadisch am Familienleben teil, dann ist auch dies ein guter Nährboden für einen Vater-Tochter-Konflikt.

Was nicht unterschätzt werden darf, ist auch die geistige Abwesenheit des Vaters. Selbst wenn er physisch anwesend ist, die ganze Zeit aber am PC sitzt oder sich von seinem Handy ablenken lässt, hinterlässt das negative Spuren bei der Tochter, was wiederum auf Dauer die Beziehung der beiden zueinander belasten kann.

Davon zu unterscheiden ist die oft unbewusste Distanzierung des Vaters zu seiner Tochter. Meistens tritt dieses Verhalten in der Pubertät auf. Schmerzlich wird dem Vater bewusst, dass sein eben noch kleines Mädchen zu einer jungen Frau heranreift. Unbedarftes Kuscheln bekommt auf einmal einen komischen Beigeschmack und der Vater geht häufig unbewusst auf Distanz. Töchter nehmen den Abstand wahr, können sich aber nicht erklären, warum und fühlen sich vom Vater abgelehnt.

Darüber hinaus kommt in der Pubertät häufig noch weiteres Stresspotenzial dazu: der Vater bekommt „Konkurrenz“. Plötzlich schwärmt seine kleine Prinzessin nun von anderen Jungs, Rockstars und Schauspielern und geht zum Vater auf Distanz. War er bislang doch immer Töchterchens Nr. 1, so keimt nun oft Eifersucht in ihm auf. Nicht selten versuchen Väter nun, diese Schwärmereien zu unterbinden oder – schlimmer noch – lächerlich zu machen.

In dieser Altersphase werden nicht selten auch erste Berufswünsche von der Tochter geäußert, die nicht immer konform gehen, mit den Vorstellungen des Vaters. Auch hier lauert Konfliktpotenzial, welches die Vater-Tochter-Beziehung belasten kann.

Was ebenfalls zu einer erheblichen Beziehungsstörung führen kann, sind die überzogenen Erwartungen des Vaters in Bezug auf die Leistungen der Tochter. Als klassisches „Instrument“ dürfen immer wieder gern die Schulnoten herhalten. Ein „Gut“ ist da nicht gut genug, bei Sportveranstaltungen muss die Tochter immer unter den ersten Plätzen vertreten sein und auch in Sachen „Benehmen“ darf sie sich keinen Fehltritt erlauben. Keinesfalls ist dieses destruktive Verhalten förderlich für die Erziehung und Entwicklung des Kindes – im Gegenteil! Der Selbstwert und das Selbstbewusstsein der Tochter können hierdurch erheblichen Schaden erleiden.

Es gibt aber auch Vater-Tochter-Konflikte, die eine gravierende Intervention bedürfen. Dazu zählt Missbrauch jeglicher Art, Suchterkrankungen und auch toxisches Verhalten des Vaters. In all diesen Fällen ist die physische und psychische Gesundheit der Tochter gefährdet und Hilfe von außen dringend erforderlich. In letzter Konsequenz droht hier der völlige Kontaktabbruch.

Welche Rolle spielt die Mutter bei einem Vater-Tochter-Konflikt?

Besteht eine überdimensional enge Verbindung zwischen Vater und Tochter, hat dies nicht selten auch Auswirkungen auf die Mutter. Läuft es sehr ungünstig, wird sie gegen den Vater ausgespielt. Die Mutter verbietet eine bestimmte Sache und der Vater lässt es der Tochter durchgehen. Es finden irgendwann keine Absprachen mehr zwischen den Eltern statt. Diese Entwicklung belastet natürlich nicht nur die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, sondern auch die Paarbeziehung zwischen den Eltern.

Wird der Vater von der Tochter auf ein Podest erhoben, verbünden sich die beiden vielleicht sogar gegen die Mutter, kann dies das gesamte Familiensystem ins Wanken bringen. Die Mutter kann in der Gunst der Tochter gegenüber dem Vater nicht mithalten. Eine Begegnung auf Augenhöhe ist zwischen den Eltern nicht mehr möglich.

Häufig wird diese Art der Vater-Tochter-Bindung auch als „Elektrakomplex“ bezeichnet.

Umgekehrt kommt es auch häufig vor, dass sich Töchter in der Pubertät besonders stark zu ihrer Mutter hingezogen fühlen. Sie kann nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn sich der eigene Körper auf einmal verändert, die Hormone verrückt spielen und Jungs auf einmal aus unerfindlichen Gründen doch irgendwie interessant werden.

Ein Vater, der bislang eine sehr enge Bindung zu seiner Tochter hatte, kann sich nun sehr leicht zurückgewiesen und ausgegrenzt fühlen. Auch diese Entwicklung kann zu einem Vater-Tochter-Konflikt beitragen.

Folgen eines Vater-Tochter-Konflikts im Erwachsenenalter

Die Folgen einer ungesunden Vater-Tochter-Beziehung können sich erheblich auf das Erwachsenenleben der Tochter auswirken.

Da der Vater die wichtigste männliche Bezugsperson in ihrem Leben ist, prägt er auch das Männerbild aus den Augen der Tochter auf signifikante Weise.

Unbewusst dient der Vater der Tochter in ihren späteren partnerschaftlichen Beziehungen als Vergleichsmodell. An ihm werden potenzielle Partner gemessen. Häufig fühlen sich Töchter dann zu dem Typ Mann hingezogen, der sie an ihren eigenen Vater erinnert. Oder aber sie suchen sich deutlich ältere Männer als Partner aus, die vom Alter her ihr Vater sein könnten. Diese Verhaltensweisen werden oft mit dem Begriff „Vaterkomplex“ in Verbindung gebracht. Inzwischen gilt dieser Begriff jedoch als veraltet. Vielmehr wird nun von einem Bindungstrauma gesprochen.

Lässt sich ein Vater-Tochter-Konflikt wieder auflösen?

Nicht selten wird Betroffenen erst, wenn die Tochter erwachsen ist, klar, dass die Beziehung zwischen Vater und Tochter negative Spuren hinterlassen hat. Bis in die Gegenwart kann das Betroffene belasten. Eine gestörte Vater-Tochter-Beziehung hat aber oftmals das Potenzial, wieder zu heilen. Selbst wenn die Fronten verhärtet und das Verhältnis zwischen beiden abgekühlt ist, muss das nicht so bleiben und muss auch nicht in einem Kontaktabbruch enden.

An der Stelle sei noch einmal erwähnt, dass die extremen Konfliktformen eine Ausnahme bilden. Hier kann der Kontaktabbruch das einzige Mittel sein, damit sich die Tochter wieder sicher fühlt und Frieden finden kann.

In allen anderen, niedrigschwelligen Fällen kann eine Besserung der Vater-Tochter-Beziehung gelingen, wenn alle Beteiligten die Bereitschaft mitbringen, konstruktiv und wertschätzend auf den anderen zuzugehen.

Wie bei vielen anderen zwischenmenschlichen Konflikten auch, bringen Schuldzuweisungen und die Verteilung von Täter-Opferrollen niemandem etwas. Im Gegenteil!

Da eine gestörte Vater-Tochter-Beziehung mit vielen negativen Emotionen einhergehen kann, ist eine neutrale Sicht-und Handlungsweise für die Betroffenen häufig nur schwer möglich. Ein ungetrübter, professioneller Blick von außen bspw. in Form eines Coaches kann hier hilfreich sein.

Gemeinsam kann in einem geschützten Rahmen geschaut werden, wo die Ursachen für den Vater-Tochter-Konflikt liegen, wie sich diese auf das Familienleben und die einzelnen Personen auswirken und welche Maßnahmen nun helfen könnten, wieder eine friedvolle Beziehung zueinander aufzubauen.

Ja, ein Vater-Tochter-Konflikt kann eine einschneidende Erfahrung im Leben von Vater und Tochter sein. Es ist aber nie zu spät, sich diesem Thema zuzuwenden, wenn das Ergebnis eine friedvollere Beziehung zu sich selbst und zueinander sein kann.