Menschen, die in einer Familie leben, dürften eines doch ganz sicher nicht sein – einsam! Einsamkeit betrifft doch nur alleinstehende Menschen. Menschen, die ohne Partner sind und ein Leben in ihrer eigenen kleinen Blase leben, fernab von anderen sozialen Kontakten. So oder so ähnliche Gedanken gehen den meisten wahrscheinlich im Kopf herum, wenn sie über das Thema Einsamkeit nachdenken. Doch weit gefehlt!
Immer häufiger kommt es vor, dass sich Personen im familiären Verbund einsamer denn je fühlen. Und das, obwohl sie mit den nächsten Angehörigen doch unmittelbar zusammenleben. Was die Ursachen für die Einsamkeit sein können, welche Folgen das haben kann und was Betroffene gegen das Gefühl der Einsamkeit tun können, erfährst du in diesem Artikel.
Definition von Einsamkeit
Zu Beginn sollte einmal erwähnt werden, dass Einsamkeit nicht mit Alleinsein verwechselt werden darf. Wenn man alleine ist, dann kann dies ein bewusst herbeigeführter (häufig temporärer) Zustand sein. Viele Menschen können wunderbar mit sich allein sein und eine sehr entspannte Zeit verbringen. Sie können sich ganz auf sich selbst konzentrieren und ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen.
Einsamkeit jedoch tut weh. Betroffene Menschen haben sich das Gefühl der Einsamkeit in der Regel nicht ausgesucht. Oft sind sie in diese Situation ohne Willen „hineingeraten“ und finden jetzt nicht wieder heraus.
Einsamkeit ist eines der unangenehmsten Gefühle, die einem Menschen widerfahren können. Als soziales Wesen ist der Mensch ohne Frage auf andere Menschen angewiesen. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass der Mensch dauerhaft allein durchs Leben geht. Der Verbund in einer Gemeinschaft, die Zusammengehörigkeit in einer Gruppe von Menschen gibt ihm das Gefühl von Sicherheit und Halt. Hätten unsere Vorfahren diesen Zusammenhalt nicht gehabt, hätte die Menschheit nicht überleben können.
Einsamkeit tritt meistens auf, wenn wir Ablehnung im Außen erfahren. Wenn sich der Partner von uns trennt, wir vom Arbeitgeber gekündigt werden oder sich ein guter Freund von uns abwendet. Es findet also ein Ausschluss von der Gemeinschaft statt. Doch auch in Familien, die nach außen intakt erscheinen, können sich Personen einsam fühlen.
Sie fühlen sich verlassen und mutterseelenallein, während sie mit dem Rest der Familie am Abendbrottisch sitzen und nachts neben dem Partner wach liegen und leise ins Kissen weinen.
Wie kann es so weit kommen?
Gründe für Einsamkeit in der Familie
In einer Welt, die immer digitaler wird, sich immer schneller dreht und die förmlich erzittert vor Geldgier, Krieg, Terror und Umweltkatastrophen scheint es, als kämpfe jeder ein Stück weit seinen eigenen Kampf, um bei diesem hektischen Wandel mithalten zu können. Dabei wäre es genau jetzt wichtiger denn je, das ehrliche Miteinander zu stärken und zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen und fördern.
Das Gegenteil ist jedoch immer öfter der Fall. Es dominiert das „Ich“ und weniger das „Wir“. In vielen Familien bekommt das Smartphone mehr Aufmerksamkeit als die eigenen Kinder. Das Leben der schillerndsten Influencer scheint viel interessanter zu sein als die Belange des eigenen Partners. Die Realität verschwimmt, der Fokus auf das Wesentliche geht verloren.
Wer würde sich da auf Dauer nicht einsam fühlen?
Von Menschen umgeben zu sein, die einen nicht so sehen (wollen) wie man wirklich ist, bei denen man nicht sein authentisches Ich zeigen kann, erzeugt in einem ein einsames Gefühl. Der unmittelbare familiäre Kontakt zu anderen Familienangehörigen kann unglaublich schmerzhaft sein, wenn man erkennt, dass keine ehrliche und tiefgründige Verbundenheit und Zugehörigkeit vorliegen. Partner haben sich dann in den meisten Fällen nichts mehr zu sagen. Innere Leere macht sich breit. Einsamkeit ist häufig die Folge.
Menschen mit einem stabilen Selbstwertgefühl haben unter diesen Bedingungen noch die besten Chancen, sich selbst zu helfen und dem negativen Gefühl der Einsamkeit entgegenzuwirken.
Personen, mit einem geringen Selbstwert jedoch, geraten hier schnell in eine Opferrolle und fühlen sich völlig gelähmt und den negativen Gefühlen ausgeliefert. Unfähig, selbst etwas an den Umständen zu ändern. Die Einsamkeit umhüllt sie wie eine dicke schwere Decke, die sie nicht abstreifen können.
Folgen von Einsamkeit in der Familie
Das dauerhafte Gefühl von Einsamkeit bleibt bei Betroffenen nicht ohne Folgen. Der Körper befindet sich in einer permanenten Alarmbereitschaft. Der psychische und mentale Stress hinterlässt unweigerlich seine Spuren. Nervosität, Schlafstörungen, Verdauungsprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kopfschmerzen, Verspannungen und Müdigkeit sind nur einige körperliche Symptome, die auftreten können.
Darüber hinaus können sich auf psychischer Ebene auch Angst-und Panikattacken oder Depressionen manifestieren. Achtung: Nicht jeder Mensch, der sich mal einsam fühlt, rutscht automatisch in eine Depression.
Ein dauerhaftes Gefühl der Einsamkeit macht jedoch irgendwann krank und ist somit definitiv ein ernst zu nehmender Stressfaktor, dem entgegengewirkt werden sollte.
Es gibt betroffene Personen, die irgendwann aus den schädlichen Familienmustern ausbrechen und die Flucht ergreifen. Sie brechen den Kontakt zu ihrer Familie (oder nur zu einzelnen Personen) ab und erhoffen sich damit wieder mehr Autonomie und Lebensqualität. Eines vergessen sie dabei jedoch oft: Sie nehmen sich selbst und all ihre Themen mit. Liegt die Ursache für die Einsamkeit und inneren Leere in ihnen selbst, wird auch die Trennung, bzw. ein Kontaktabbruch langfristig nicht helfen. Häufig geraten solche Menschen unbewusst wieder in ähnliche Beziehungen, die das gleiche Gefühl der Einsamkeit in ihnen triggern. Ein Teufelskreis, den Betroffene allein nur schwer durchbrechen können.
Es geht aber auch anders. Für Menschen, die sich ihrer selbst bewusst sind, und die die Einsamkeit in der Familie verlassen möchten (bspw. durch Trennung vom Partner), kann dies die Chance zu einem selbstbestimmteren Leben bieten.
Die Möglichkeit, sich selbst zu reflektieren, sich seiner selbst wieder bewusst(er) zu werden und aus dysfunktionalen Mustern auszubrechen, kann für die betroffene Person ein unglaublicher Befreiungsschlag sein, der Hoffnung auf eine zufriedenere Zukunft verspricht.
Dazu bedarf es jedoch viel Bewusstheit, Kraft und Mut. Vielen Betroffenen fehlt jedoch genau das und sie haben auch keine Idee, wie sie selbst den negativen Gefühlen der Einsamkeit entkommen können.
Was gegen Einsamkeit in der Familie helfen kann
Eine betroffene Person, die unter Einsamkeit in ihrer Familie leidet, ist dem nicht hilflos ausgeliefert und muss das auch nicht teilnahmslos hinnehmen.
Der erste und wichtigste Schritt ist wahrzunehmen und zu akzeptieren, dass hier eine Dysbalance herrscht. Das Gefühl der Einsamkeit muss erst einmal angenommen werden, so wie es ist. Erst dann kann man sich Gedanken über die Ursachen machen. Wodurch werden die negativen Gefühle der Einsamkeit ausgelöst? Liegt es an einer oder gleich an mehreren Personen in der Familie? Was kann man selbst dagegen tun? Eines sollte Betroffenen bewusst sein: Man selbst wird andere Personen niemals verändern können. Ändern kann man nur sich selbst und seine Einstellung.
Es gilt also, selbst in Aktion zu kommen, um diesen tückischen Kreislauf der Einsamkeit zu durchbrechen. Dabei ist es ungemein wichtig, sich die Zeit und den Raum zu nehmen, um sich selbst einmal in Ruhe zu reflektieren. Der bewusste Blick auf die eigenen Stärken, Interessen, Hobbys und Leidenschaften ist dabei ein elementarer Schritt.
Nur so hat man die Chance, Schritt für Schritt aus der passiven Opferrolle auszubrechen.
Auch wenn dieser Prozess viel Kraft und Überwindung kostet!
Was für Interessen hat man? Gibt es eine Sportart, mit der man schon lange liebäugelt, aber sich nie getraut hat? Mit welchen Freunden könnte man sich mal wieder treffen? Welches Hobby möchte insgeheim schon lange ausgelebt werden? Auch ein Ehrenamt oder der Eintritt in einen Verein können Wunder gegen das Gefühl der Einsamkeit bewirken. Diese kleinen, niedrigschwelligen Maßnahmen haben meistens schon einen großen positiven Impact auf den eigenen Selbstwert. Man bricht ein Stück weit aus der Passivität aus und fühlt sich der Einsamkeit nicht länger hilflos ausgeliefert.
Betroffene Personen, die aus eigenem Antrieb der Einsamkeit nicht entfliehen können, sollten in Erwägung ziehen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Befindet man sich in der hilflosen Situation, dass die Einsamkeit einen vollkommen lähmt, kann Unterstützung von außen durch einen Therapeuten oder Coach das Mittel der Wahl sein. Gemeinsam wird sich die aktuelle Situation angeschaut und individuelle Lösungsansätze erarbeitet. Auch hier gilt wieder das Prinzip der kleinen Schritte. Den Gründen der Einsamkeit und inneren Leere auf die Schliche zu kommen und hilfreiche Maßnahmen in den Alltag zu integrieren braucht Zeit. Zeit, die sich Betroffene auf jeden Fall nehmen sollten. Denn in einer Gesellschaft, in der die Digitalisierung auf dem Vormarsch ist, künstliche Intelligenz immer mehr unseren Alltag bestimmt und Menschen mehr online als offline miteinander kommunizieren, wird es immer wichtiger, den Blick nach innen zu richten. Sich wieder seiner selbst und seinen Bedürfnissen bewusst zu werden, um ein Leben mit Menschen zu führen, zu denen sich eine ehrliche und authentische Verbindung aufbauen lässt. Denn das ist es doch, worauf es im Leben wirklich ankommt!