Viele Eltern kennen das ohnmächtige Gefühl, wenn das eigene Kind scheinbar ohne Grund schreit und sich nicht beruhigen lassen will.
„Lass es einfach schreien. Es kriegt sich von selbst schon wieder ein.“
„Verwöhne es bloß nicht zu sehr, sonst tanzt es dir später auf der Nase herum.“
Annahmen wie diese halten sich hartnäckig in unserer Gesellschaft. Wenden sich Eltern und insbesondere Mütter aber regelmäßig in solchen Momenten von ihrem Kind ab, kann dies auf Dauer zu einer ernsthaften Störung in der Mutter-Kind-Beziehung führen.
Naturbedingt gehört die Mutter zu den wichtigsten Bezugspersonen eines Kindes. Sie trägt es, ernährt es und versorgt es mit allem Lebensnotwendigen. Und ja, dazu gehören auch und insbesondere Empathie, Liebe und Fürsorge. Sie sind die Basis für eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung und Grundstein dafür, dass das Kind nicht nur körperlich, sondern auch mental gesund heranwächst.
In der Theorie klingt das absolut verständlich und nachvollziehbar. Diese so wichtigen Fähigkeiten jedoch im Alltag bedürfnisorientiert in die Erziehung des Kindes einfließen zu lassen, ist in unserer schnelllebigen Gesellschaft inzwischen eine ernsthafte Herausforderung geworden.
Gelingt eine harmonische Mutter-Kind-Beziehung nicht, kann dies emotional sehr schmerzhafte und langwierige Folgen haben – insbesondere für das Kind.
Woran man eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung erkennt und wie sich diese fördern lässt, erfährst du in diesem Artikel.
Wie entsteht eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung?
Das unsichtbare Band, was zwischen einer Mutter und ihrem Kind besteht, ist eine solch intensive und tiefgründige Verbindung, die mit keiner anderen zwischenmenschlichen Beziehung vergleichbar ist. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass diese Beziehung nicht auch Schaden erleiden kann.
In den meisten Fällen sind es die immer wiederkehrenden Reibungspunkte zwischen Mutter und Kind, die die Beziehung belasten. Überforderung, Angst und Unsicherheiten sind in unserer heutigen Gesellschaft zu dauerhaften Begleitern in Familien geworden. Stresssituationen allgemein sind jedoch immer ein guter Nährboden, um den heimischen Familienfrieden zu gefährden.
Welche Mutter kennt sie nicht, Situationen wie diese: Schon der Start in den Tag beginnt hektisch. Nach dem Aufstehen machen sich Eltern und Kind(er) fertig für den Tag. Erst dreht jeder seine Runde durchs Bad, es folgt ein gemeinsames, schnelles Frühstück, Zähne werden geputzt, Jacken & Schuhe angezogen. Es folgt ein gezielter Griff zur Tasche und zum Ranzen und schon wird mit wehenden Fahnen und der Uhr im Nacken das Haus verlassen.
In den meisten Familien sind die Morgenroutinen sehr straff durchgetaktet und wehe, wenn nicht alles reibungslos funktioniert. Wenn das Kind an dem Tag schlechter als sonst aus dem Bett kommt, seine Frühstücksflocken nicht schnell genug isst, seine Zähne nicht putzen mag, nicht das anziehen möchte, was Mama an Kleidung schon am Vorabend bereitgelegt hat … dann droht das sorgfältige Zeitmanagement wie ein wackeliges Kartenhaus in sich zusammen zu fallen. Und mit ihm fällt der Familienfrieden.
Der Geduldsfaden der Mutter wird immer dünner, der Tonfall schärfer, der Druck auf das Kind höher. Tut es noch immer nicht das, was grad notwendig ist, folgen häufig reflexartig nun die Klassiker, um es zum „Mitmachen“ zu bewegen: Aus der Not heraus wird nun nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ agiert. Unter Androhung von Strafen, Verboten oder aber auch Belohnung fühlt sich das Kind immer mehr unter Druck gesetzt, sich dem Willen der Mutter zu unterwerfen. Die Gefahr steigt, dass die Situation nun völlig eskaliert, dass das Kind immer mehr rebelliert und sich die Fronten verhärten. Ein harmonisches Miteinander scheint in weiter Ferne und die Mutter-Kind-Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt. Ein enormer Kraftakt für alle Beteiligten.
Das o. g. Beispiel ist nur eines von vielen, wie es in Familien jeden Tag stattfindet. Ist die Erziehung des Kindes von Konflikten dieser Art geprägt, wird jedoch erheblich ein wichtiges Grundbedürfnis des Kindes gefährdet: das Bedürfnis nach Nähe und Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind.
Mangelt es dem Kind auf Dauer jedoch an ehrlicher Zuwendung, Verständnis, Liebe und Verbundenheit zu den Eltern kann dies im unglücklichsten Fall lebenslange Folgen für den Nachwuchs haben. Im Erwachsenenalter äußert sich das dann bspw. durch Bindungsstörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen.
Daher ist es so wichtig, die Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und ein harmonisches Familienleben aktiv zu fördern.
Eine gesunde Beziehung zueinander bildet dabei eine stabile Basis für die Erziehung des Kindes. Leider wird in vielen Familien viel zu oft an den Bedürfnissen des Kindes vorbei erzogen. Es fühlt sich dann nicht gesehen, nicht gehört, schlichtweg allein gelassen. In seiner Wahrnehmung kann es sich nicht auf seine Eltern verlassen. Das so wichtige Urvertrauen gerät gefährlich ins Wanken.
Es gibt einige sehr markante Hinweise bei einem Kind, die auf eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung hindeuten können. Die häufigsten sind im Folgenden einmal aufgezählt.
Häufige Anzeichen einer gestörten Mutter-Kind-Beziehung
- Kind zeigt emotionale Distanz und zieht sich zurück
- Es kann seine Emotionen nicht zum Ausdruck bringen
- Schlechte Impulskontrolle / impulsives Verhalten
- Es kann schlecht mit stressigen Situationen umgehen
- Übermäßiges Reaktionsverhalten (Wutanfälle, aggressives Verhalten, niedrige Frustrationstoleranz)
- Durch auffälliges Verhalten wird versucht, Aufmerksamkeit zu erlangen
- Kind ist sehr ängstlich und häufig sehr unsicher (Urvertrauen fehlt)
- Sprachliche und motorische Entwicklungsverzögerung
- Psychosomatische Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, etc.)
- Mangelndes Selbstwertgefühl; es spürt keine Selbstwirksamkeit
- Kind hat kaum soziale Kontakte (Einzelgänger); spielen mit anderen Kindern fällt schwer
Nicht nur die Kinder leiden unter den familiären Konflikten. Auch die Eltern und insbesondere die Mütter, belasten Auseinandersetzungen dieser Art.
Abends im Bett, wenn die Mutter den Tag noch einmal Revue passieren lässt und es um sie herum ruhig ist, wird es auf einmal laut, das schlechte Gewissen. Und mit ihm der große Wunsch: „Das hätte ich heute gern besser hinbekommen. Aber wie?“
Wie lässt sich eine gute Mutter-Kind-Beziehung fördern?
Eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung ist geprägt von Empathie, Fürsorge und Respekt füreinander. Die Bedürfnisse des Kindes müssen wahr- und ernstgenommen werden und es muss sich auf seine Eltern bedingungslos verlassen können. Nur so kann sich das so wichtige Urvertrauen entwickeln.
Unstimmigkeiten, Missverständnisse und Auseinandersetzungen gehören in einer Familie dazu. Das ist absolut normal. Wichtig ist nur, dass diese Konflikte auf eine gesunde Art und Weise gelöst werden.
Dazu ist es von großer Bedeutung, dass man sich als Mutter der eigenen Verhaltensmuster bewusst ist, schädliche Mechanismen erkennt und diesen Kreislauf durchbricht.
Kommt es zu einem Konflikt, ist dieser immer auch mit Stress verbunden. Stress führt in uns Menschen evolutionsbedingt jedoch seit jeher immer zu drei Reaktionen: Fight, Flight or Freeze. Kämpfen, fliehen oder erstarren. Unseren Vorfahren, die sich noch mit Säbelzahntigern herumärgern mussten, hat diese Methode das Überleben gesichert. In unserer heutigen Zeit und insbesondere im familiären Kontext, ist dieses Verhalten in Stresssituationen jedoch nicht mehr angemessen. Das eigene Kind, auch wenn es grad nicht das tut, was man sich als Eltern wünscht, ist kein Feind, der abgewehrt werden muss.
Hier müssen also andere Lösungsstrategien herangezogen werden.
Möchte man den schädlichen Teufelskreis aus Aktion und Reaktion durchbrechen, ist die Erhöhung der Beziehungsqualität zum Kind ein ganz wesentlicher Faktor. Dies geschieht am besten, wenn bewusst auf dessen Bedürfnisse eingegangen wird. Doch nicht nur die Bedürfnisse des Kindes sind hier gefragt. Auch und insbesondere die der Mutter müssen herausgearbeitet werden. Die Stimmung der Mutter überträgt sich nämlich auch immer auf das Kind!
Als Mutter kann man sich in der akuten Stresssituation also bspw. folgende Fragen stellen:
„Was genau reizt mich gerade?“
„Warum bin ich so dünnhäutig?“
„Warum fühle ich mich ständig müde und überfordert?“
Welches konkrete Bedürfnis der Mutter steckt hinter diesen Fragen und wird aktuell vernachlässigt? Was braucht sie wieder, um bei sich anzukommen?
Als Mutter schaut man im ersten Schritt also auf sich. Was kann zur eigenen körperlichen und mentalen Kräftigung beitragen? Denn nur wenn man als Mutter wieder in Beziehung zu sich selbst kommt, kann darauf eine gesunde, stabile Bindung zum Kind erwachsen, die auch Auseinandersetzungen aushält.
Vergleichbar ist dies mit einer Notfallsituation im Flugzeug. Auch hier setzt man sich erst die eigene Sauerstoffmaske auf, bevor man dem Sitznachbarn Hilfe leistet.
Folgende Punkte können zu einer Stärkung der Mutter-Kind-Beziehung beitragen:
- Eigene Bedürfnisse & die des Kindes berücksichtigen
- Offene Kommunikation
- Dem Kind bewusst zuhören
- Empathie, Einfühlungsvermögen
- Körperliche Nähe, Zuneigung
- Gemeinsame Aktivitäten
- Rituale bieten Halt und Sicherheit
- Als Mutter mehr „Me-Time“ in den Alltag integrieren
Unterstützung auf dem Weg zu einer gesunden Mutter-Kind-Beziehung
Das eigene Kind bedürfnisorientiert, wohlwollend und altersgerecht durch Trotzphasen, Wutanfälle und Machtkämpfe zu begleiten, ist und bleibt ein unglaublicher körperlicher und mentaler Kraftakt. Sich als Mutter in solchen Momenten der eigenen Verhaltensmuster klar zu werden, erfordert viel Bewusstheit, Nachsicht, Geduld und ganz viel Übung.
Übung, die mit externer Unterstützung trainiert werden kann. Häufig genügt ein geschulter Blick von außen auf eine konkrete Situation und ein paar gezielte Verhaltenstipps bspw. von einem Coach, um als Mutter gelassener mit Konflikten rund ums Kind umgehen zu können.
Eine bedürfnisorientierte Erziehung ohne tägliche Eskalationen und schlechtes Gewissen – sie ist kein Mythos, sondern tatsächlich möglich!