Der Vater als strahlender Held in glänzender Rüstung. Stark. Präsent. Allwissend und mutig. Nichts und niemand kann ihm etwas anhaben. Aus Kinderaugen sieht die Vaterrolle im besten Falle so aus. Er ist der Retter. Bei ihm fühlt es sich sicher, geborgen, geliebt und beschützt.
Die Realität sieht in vielen Familien leider jedoch häufig anders aus. In diesen Fällen bekommt das Bild des unfehlbaren Helden im Laufe der Kindheit gefährliche Risse, eine Störung der Vater-Kind-Beziehung ist die Folge.
In diesem Artikel soll es einmal genau um dieses Thema gehen: Was macht eine gesunde Vater-Kind-Beziehung aus? Was für Störungen können auftreten und was können Beteiligte unternehmen, um die Beziehung zu fördern? Alles Wissenswerte dazu erfährst du in diesem Artikel.
Was hat eine gestörte Vater-Kind Beziehung mit einem auffälligen Sozialverhalten zu tun?
Naturgemäß sind die Eltern die engsten Bezugspersonen eines Kindes. Sie sichern nicht nur physisch sein Überleben, sondern statten es auch auf psychischer Ebene mit allem Notwendigen aus, damit es sich gesund entwickelt und später in der Lage ist, ein selbstständiges Leben führen zu können. In der Kindheit ist es elementar wichtig, dass die Bedürfnisse des Kindes wahr- und ernstgenommen werden. Zweifelsohne gilt dies für beide Elternteile und doch kommt dem Vater in dieser so prägenden Lebensphase des Kindes eine ganz besondere Rolle zu.
Hat die Mutter naturbedingt die wichtige Aufgabe, das gemeinsame Kind auszutragen und zu ernähren, so liegt es am Vater, dem Nachwuchs Mut zu verleihen, die Neugier aufs Leben zu wecken und das Selbstvertrauen zu fördern. Diese Eigenschaften braucht das Kind, um sich im Laufe des Heranwachsens langsam aus dem Schoß der Mutter lösen zu können. Gelingt dem Vater diese Herausforderung, ist das eine sehr gute Basis für eine sichere Bindung zu den Eltern und eine gute Entwicklung des Urvertrauens.
Anzeichen und Folgen einer gestörten Vater-Kind-Beziehung
Leider verläuft die Beziehung zwischen Vater und Kind nicht immer harmonisch und gesund. Fehlt es an körperlicher und emotionaler Nähe, kann die Bindung zwischen Vater und Kind dauerhaft Schaden erleiden – das Urvertrauen ist unmittelbar gefährdet. Ein Kind mit mangelndem Urvertrauen hat häufig ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen. Es kann sich nur schwer gegenüber anderen Personen öffnen und auf Beziehungen einlassen. Seine Gefühle behält es, ebenso wie seine Bedürfnisse, aus Schutz lieber für sich.
Die Gefahr ist groß, dass Ängste und Unsicherheiten lebenslange Begleiter des Kindes sein werden.
Ist die Beziehung zwischen Vater und Kind gestört, ist bei dem Kind oft ein auffälliges Sozialverhalten gegenüber anderen Kindern und Erwachsenen zu beobachten. Kinder, die ohne diese vom Vater vermittelten Kompetenzen aufwachsen, haben häufig Probleme, ihre Bedürfnisse und Emotionen auf angemessene Art zum Ausdruck zu bringen. Wutanfälle, Aggressivität, impulsives Verhalten und häufiges Weinen sind keine Seltenheit. Insbesondere im Umgang mit anderen Kindern kann dieses Verhalten im Mobbing enden. Das betroffene Kind isoliert sich von anderen Kindern und kann immer schwerer soziale Kontakte aufbauen. Kleinkinder spielen dann oft allein. Jugendliche verkriechen sich vor dem Fernseher oder tauchen ab in die Welt der Computerspiele.
Ist die Kindheit von Ereignissen dieser Art geprägt, kann sowohl das Selbstbewusstsein als auch die Selbstwirksamkeit des Kindes erheblichen Schaden erleiden.
Kinder, mit einer gestörten Eltern-/ bzw. Vater-Kind-Bindung sind von Grund auf einem erhöhten Stresspotential ausgesetzt. Ein Kind, das so aufwächst, kann sich nicht auf seine Eltern als Schutzpersonen verlassen. Somit befindet es sich in einer permanenten Alarmbereitschaft, um sich selbst vor möglichen Gefahren im Außen schützen zu können. Dieses konstant hohe Stresslevel kann sich physisch bspw. durch Übelkeit, Schlafstörungen, Kopf-oder Bauchschmerzen äußern. Darüber hinaus kann dies auch Auswirkungen auf die motorische, kognitive und sprachliche Entwicklung haben.
Die Folgen einer gestörten Vater-Kind-Beziehung ziehen sich für das Kind häufig unbemerkt wie ein roter Faden bis ins Erwachsenenleben hinein. Eine ausgeprägte Bindungsstörung, Depressionen und/oder mangelnde soziale Kontakte können das unschöne Ergebnis davon sein. Das Kind hat ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber anderen Menschen, was es schwer macht, soziale Kontakte überhaupt aufzubauen. Da für uns Menschen das soziale Miteinander aber lebenswichtig ist, führt dieser Mangel bei den erwachsenen Kindern zu einem erheblichen Leidensdruck, dessen Ursachen sie sich häufig nicht erklären können.
Ursachen für eine gestörte Vater-Kind-Beziehung
Es gibt viele Ursachen, die zu einer Störung der Vater-Kind-Beziehung führen können. Das größte Risiko besteht bereits in der frühkindlichen Phase, im Alter vom 1. bis 3. Lebensjahr. Bekommt das Kind in dieser Lebensphase nicht die Zuwendung, Fürsorge und Aufmerksamkeit, die es so dringend braucht, können sich hier schon die ersten Störungen manifestieren, die das Kind für den Rest seines Lebens prägen werden.
Ein klassischer Auslöser kann die Trennung der Eltern sein. Bleibt das Kind bei der Mutter wohnen und reduziert sich die gemeinsame Vater-Kind-Zeit, kann es durchaus passieren, dass dadurch der enge Bezug zum Vater verloren geht. Insbesondere dann, wenn die verbleibende gemeinsame Zeit mit dem Kind nicht exklusiv vom Vater ausgenutzt wird.
Leider kommt es immer wieder vor, dass Kinder in Trennungsfamilien zwischen die Fronten der Eltern geraten. Im schlimmsten Fall werden sie sogar instrumentalisiert und gegen das andere Elternteil aufgehetzt. Ohne Zweifel hinterlässt dieses Verhalten Spuren bei Kindern.
Aber nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung in Trennungsfamilien ist besonders gefährdet. Auch in „intakten“ Familien kann es zu Störungen in der Vater-Kind-Beziehung kommen. Spricht die Mutter dem Vater die Kompetenz in Bezug auf die Erziehung des Kindes ab und lässt sie ihm diesbezüglich zu wenig Freiraum, kann dies auf Dauer zu einer Bindungsstörung zwischen Vater und Kind führen.
Der Vater entwickelt in Folge nicht die nötige Sicherheit im Umgang mit dem Nachwuchs. Das Kind merkt unterschwellig die Unsicherheit des Vaters und äußert dies mit Weinen und Abwehrverhalten ihm gegenüber. Der Vater wird dadurch noch unsicherer im Umgang mit dem Kind, was wiederum die Beziehung zwischen beiden erheblich belasten kann.
Eine weitere Ursache für Spannungen zwischen Vater und Kind, ist die mangelnde Präsenz des Vaters. Arbeit wird von den Vätern häufig mit nach Hause genommen und auch wenn er körperlich anwesend ist, so ist er geistig jedoch allzu oft noch mit anderen Dingen beschäftigt und nicht präsent bei der Familie. Kinder haben für so etwas sehr feine Antennen und nehmen sehr wohl wahr, ob sich ihm ein Elternteil grad auch wirklich zu 100 Prozent zuwendet oder nicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mangelnde Fürsorge, Vernachlässigung, wenig Liebe und fehlende Geborgenheit zu erheblichen Störungen in einer Vater-Kind-Beziehung führen können.
Insbesondere Familien, in denen toxische Verhältnisse herrschen, wie bspw. körperliche und / oder psychische Gewalt, sind von einer Gefährdung der Eltern-Kind-Beziehung betroffen.
Wie lässt sich eine gestörte Vater-Kind-Beziehung heilen?
Ist das Kind noch jung und ist es noch von den Eltern abhängig, liegt es an ihnen, bewusst an der Förderung einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung zu arbeiten. Liegt eine Störung in der Vater-Kind-Beziehung vor, muss der Vater schonungslos ehrlich zu sich selbst sein und sollte sich auch Fehler eingestehen. Nur so besteht die Chance, dass diese zukünftig vermieden werden und die Beziehung zwischen Vater und Kind noch frühzeitig geheilt werden kann.
Leider erkennen Betroffene häufig erst mit zunehmendem Alter, dass eine Störung zwischen Vater und Kind vorliegt. Auch wenn beide inzwischen ihr eigenes Leben getrennt voneinander führen, kann die Erkenntnis einer ungesunden Vater-Kind-Bindung für Betroffene eine erhebliche Belastung darstellen. Eine Heilung der Beziehung kann aber auch hier noch gelingen. Dazu ist es jedoch erforderlich, dass sowohl der Vater als auch das Kind für eine offene Kommunikation bereit sind und die Bedürfnisse des anderen wahrnehmen, ohne diese zu bewerten. Nur so kann eine Annäherung erfolgreich gelingen. Zuhören ist für alle Beteiligten in diesem sensiblen Prozess das Mittel der Wahl. Gemeinsame Unternehmungen und Rituale geben sowohl dem Vater als auch dem Kind Halt und Sicherheit und fördern das Miteinander.
Wenn diese niedrigschwelligen Maßnahmen nicht erfolgreich sind oder auch wenn die Fronten von vornherein so verhärtet sind, dass die Beteiligten allein nicht weiterkommen, kann Hilfe von außen angebracht sein. Betroffene sind häufig völlig verstrickt in den negativen Gefühlen aus der Vergangenheit, so dass es schwerfällt, allein geeignete Lösungen für die Konflikte zu finden.
Ein professioneller Coach oder Therapeut kann aus der Metaebene heraus die Vater-Kind-Verbindung analysieren und gezielt Maßnahmen aufzeigen, die die Beziehung zwischen beiden nachhaltig heilen und fördern kann.
Oberstes Ziel sollte sein, dass betroffene Personen, die unter einer gestörten Vater-Kind-Beziehung leiden, inneren Frieden mit sich und der Situation finden. Harmonie um jeden Preis zu erzwingen ist jedoch der falsche Ansatz. Ist eine gemeinsame Basis für eine gesunde Vater-Kind-Beziehung selbst mit externer Unterstützung nicht herbeizuführen und ist der Leidensdruck zu hoch, dann darf auch ein Kontaktabbruch als Schutzmaßnahme in Erwägung gezogen werden. Denn für eines ist man nie zu alt: sich Hilfe zu holen und zu lernen, für sich und seine Bedürfnisse einzustehen.