Kontaktabbruch zu den Großeltern

Für viele Eltern mit erwachsenen Kindern ist es ein großer Traum, einmal Großeltern zu werden. Ist der Familienzuwachs dann auf der Welt, ist die Freude grenzenlos. Funkelnde Kinderaugen, lautes Kinderlachen, gemeinsam Sandburgen bauen, Geschichten vorlesen, harmonische Familienfeiern, die durch den quirligen Enkel nochmal eine ganz andere Dynamik ins Haus bringen … All das sehen sie vor ihrem geistigen Auge schon vor sich und können es kaum erwarten, die Großelternrolle in vollen Zügen auszuleben.

Doch was macht das mit Großeltern, wenn die Beziehung zu den eigenen Kindern kriselt? Der Kontakt vielleicht sogar schon abgebrochen ist? Welche Auswirkungen kann das auf die Beziehung zu den Enkelkindern haben? Mehr dazu erfährst du in diesem Beitrag.

Die Großelternschaft – eine ganz besondere Rolle

Eltern sind für Kinder naturbedingt die engsten Bezugspersonen. Ohne sie wäre das Kind in jungen Jahren nicht überlebensfähig. Im Laufe des Heranwachsens wird der Nachwuchs immer selbstständiger, gewinnt an Autonomie, lernt auf eigenen Beinen zu stehen und sein Leben allein zu bewerkstelligen.

In einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung bleibt das enge Band zwischen Eltern und Kind auch im Erwachsenenalter noch bestehen. Auch oder gerade weil das Kind genug Raum bekommt, sein eigenes Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Dazu gehört auch die Gründung einer eigenen kleinen Familie. Die Eltern der Ursprungsfamilie werden nun automatisch in die Rolle der Großeltern befördert.

Wenn die eigenen Kinder Kinder bekommen, ist das nicht nur für die jungen Eltern, sondern auch für viele frisch gebackenen Großeltern der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Sie können nun alles rund ums Thema Baby, Kleinkind und Co. noch einmal hautnah miterleben, jedoch ohne in erster Reihe die volle Verantwortung und die Pflichten tragen zu müssen, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt.

Großeltern können für eine Familie eine echte Bereicherung darstellen. Sie sind das Bindeglied zur Familiengeschichte und als weise und wissende Personen, kann die jüngere Generation durch sie etwas über seine eigenen Wurzeln erfahren. Sie unterstützen die junge Familie im Alltag und fühlen sich oft auch selbst wieder jünger und fitter, wenn sie Zeit mit ihren Enkeln verbringen.

In einer gesunden Familie kann dies eine wunderbare, harmonische Symbiose zwischen Alt und Jung ergeben, von der alle Beteiligten profitieren. In vielen Familien sieht die Realität leider jedoch ganz anders aus.

Gründe, warum es zwischen Eltern und Kindern kriselt

Werden aus der Eltern-Kind-Beziehung noch Konflikte aus der Vergangenheit mit sich herumgetragen, lösen sich diese in der Regel nicht automatisch auf, wenn das eigene Kind eine Familie gründet. Im Gegenteil! Die angespannte Situation zwischen Alt und Jung bekommt nun häufig noch eine ganz andere, schädlichere Dynamik.

Zukünftige Eltern stellen sich in dieser Lebensphase oft die Frage, was sie in der eigenen Kindheit erfahren haben und wie sie sich die Zukunft ihres Babys vorstellen. Das eigene Elternhaus kommt dabei nicht immer gut weg und schädliche Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kind werden einem oft dann erst richtig bewusst.

Schon in der Schwangerschaft der Tochter, bzw. der Schwiegertochter, kann sich eine angespannte Eltern-Kind-Beziehung bemerkbar machen. Insbesondere die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wird in dieser sensiblen Phase nochmal auf eine harte Probe gestellt. War es Eltern früher schon nicht möglich, die Autonomie ihres Kindes zu wahren, so respektieren sie häufig auch die Grenzen ihres erwachsenen Kindes nicht. Sie werden ihnen gegenüber übergriffig, mischen sich in das junge Familienleben ein, lassen keinen Raum für eigene Erfahrungen und Meinungen und geben ungefragt Ratschläge. Letztlich sind Ratschläge aber auch eine Art „Schläge“ – nur auf einer anderen Ebene.

Ohne Zweifel ist Hilfe von außen, bspw. durch die Großeltern, gerade in der Anfangszeit mit Baby extrem hilfreich und entlastend. Lernt die junge Familie jedoch nicht rechtzeitig, sich von den eigenen Eltern in einem gewissen Maß abzugrenzen, kann es später schwierig werden, ein autonomes Leben zu führen, ohne dass sie von der elterlichen Seite ständig bevormundet werden.

Als angehendes, bzw. frischgebackenes Elternteil fühlt man sich dann oft wieder zurückversetzt in die eigene Kindheit. Klein, unzulänglich, hilflos. Die eigenen Eltern in der Großelternrolle sind sich dessen häufig überhaupt nicht bewusst. Und so erlebt die eh schon angeschlagene Eltern-Kind-Beziehung eine neue Phase von Autonomie und Bindung – diesmal allerdings mit dem Enkelkind dazwischen.

Ist das Eltern-Kind-Verhältnis extrem angespannt und konfliktgeladen, kann es auch passieren, dass es zu einem Kontaktabbruch zwischen beiden kommt. Häufig ist dies für die junge Familie die einzige Möglichkeit, sich vor dem übergriffigen Verhalten der Großeltern zu schützen. Dann werden Telefonate nicht mehr angenommen. Briefe nicht mehr beantwortet. Besuche ignoriert. Es herrscht eisige Stille.

Für Großeltern kann dies unglaublich schmerzhaft sein. Unabhängig davon, ob der Kontaktabbruch schon stattfand, bevor das Enkelkind geboren wurde oder erst danach. Schließlich haben sie nunmehr nicht nur ihr Kind, sondern auch ihr Enkelkind „verloren“. Und oft wissen sie gar nicht warum.

Kontaktabbruch – Was macht das mit Großeltern?

Für viele Großeltern bricht eine Welt zusammen, wenn der Kontakt zu dem eigenen Kind und somit auch zu dem Enkelkind abbricht. Mit diesem Schritt verläuft auf einmal die eigene Vision der Zukunft, der Lebensabend, ganz anders als geplant.

Oft sind sie sich gar nicht im Klaren darüber, was die Ursachen für den Kontaktabbruch sind. Wollten sie denn nicht immer nur das Beste für die junge Familie? Waren sie nicht immer für sie da? Erreichen Glückwunschkarten und Geburtstagspäckchen das Enkelkind überhaupt?

Was ist passiert, dass nur noch der radikale Kontaktabbruch als Lösung in Frage kommt?

Gerade diese Unwissenheit und die Frage, wie es weitergeht, kann Großeltern extrem belasten und sich auch auf ihre Gesundheit auswirken. Psychosomatische Störungen und Depressionen können Folgen davon sein.

Die Sehnsucht nach dem Enkelkind und ja, auch nach ihrem eigenen Kind, treiben sie Tag für Tag um. Oft versuchen die trauernden Großeltern den Kontakt zu der jungen Familie wieder herzustellen, in der Hoffnung, wieder Frieden in die Familie zu bringen. Die Enttäuschung wird jedoch mit jedem Mal größer, wenn der Kontaktversuch vom eigenen Kind wieder einmal abgeblockt wurde.

Nicht immer steckt ein Eltern-Kind-Konflikt hinter einem Kontaktabbruch zwischen der jungen Familie und den Großeltern.

Hat sich das junge Elternpaar getrennt, kann es auch für Großeltern schwierig werden, den Kontakt zu den Enkeln aufrecht zu halten.

Darüber hinaus kann eine enge Bindung zu dem Enkelkind auch bei einer großen räumlichen Distanz schwierig werden. Auch wenn unsere Gesellschaft inzwischen im digitalen Zeitalter angekommen ist, liegt es nicht allen Großeltern, sich auf virtueller Ebene mit den Kindern und Enkelkindern zu vernetzen.

Was auch immer die Ursache für den mangelnden / abgebrochenen Kontakt zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind sind, ein großer Schmerz ist damit auf jeden Fall verbunden.

Was können Betroffene tun?

Betroffenen Großeltern, die unter dem Kontaktabbruch leiden, fällt es sehr schwer, diesen Zustand kommentarlos hinzunehmen. Immer wiederkehrende Kontaktaufnahmen zum eigenen Kind sind aber oft nicht förderlich, um die Eltern-Kind-Beziehung zu retten und somit wieder einen Kontakt zum Enkelkind zu ermöglichen. Häufig hilft hier nur, zeitlicher und räumlicher Abstand, so schwer es auch fällt.

Es kann durchaus vorkommen, dass Kinder nach einer gewissen Zeit wieder bereit sind für eine Annäherung. In dieser so sensiblen Phase ist es aber unglaublich wichtig, sich nicht gegenseitig mit Schuldzuweisungen zu belasten. Vielmehr geht es in einem ersten Schritt darum, die Sichtweise und die Bedürfnisse der anderen Seite anzuhören und möglichst ohne Bewertung zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus sollte auch das eigene Verhalten einmal kritisch reflektiert und Fehler eingestanden werden.

All das erfordert ein hohes Maß an Verständnis und Bereitschaft, auf den anderen zuzugehen. Für Betroffene ist das allein oft schwer zu bewerkstelligen. Zu schwer wiegt das Päckchen aus der Vergangenheit, voll mit Bevormundungen, Schuldzuweisungen und mangelndem persönlichen Freiraum. Besonnenes und reflektiertes Verhalten funktioniert unter diesen Bedingungen leider kaum.

Hilfe von außen kann hier jedoch ein gutes Mittel sein, um die angeknackste Beziehung wieder zu stärken. Ein Coach oder Therapeut kann alle Beteiligten durch diese so sensible und konfliktanfällige Phase begleiten.

Sehr wahrscheinlich lassen sich auch mit externer Unterstützung nicht alle Konflikte aus der Eltern-Kind-Beziehung auflösen. Oft ist dies aber auch nicht erforderlich. Es geht in erster Linie darum, im Hier und Jetzt einen Weg für ein friedvolles, selbstbestimmtes Miteinander zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können. Die eigenen Bedürfnisse und Werte der Kinder, aber auch der Eltern sollten Berücksichtigung und Gehör finden. In all dem Schmerz und Groll, der aus der Vergangenheit noch mitschwingt, darf nicht vergessen werden, dass es für den jungen Familienzuwachs, dem Enkelkind, ein großer Gewinn sein kann, Kontakt zu den Großeltern zu haben. Und sei er auch noch so gering. Denn sie sind und bleiben nun mal die Wurzeln der Familie.